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Pressestimmen
Artikel Remscheider Stadtpost v. Samstag, 08. August 2020

2020_08-08 Männerchor erobert die Stadion-Tribüne

Stimmgewalt statt sportliche Höchstleistungen: Das Stadion Reinshagen wird vom Männerchor „Germa-nia“ in Corona-Zeiten als Proberaum genutzt.

VON MELISSA WIENZEK

REINSHAGEN Die Jungs, die an diesem Abend in Reinshagen kicken, freuen sich über Livemusik: Ein stimmgewaltiges „Horch, was kommt von draußen rein, hollahi, hollaho“ schallt durch das Stadion. Das lockte den einen oder anderen Zaungast an. Denn dort, wo sonst Zuschauer den Footballern vom Amboss zujubeln, gibt es an diesem Abend deutsches Liedgut zu hören: Der Remscheider Männerchor „Germania" 1840 probte das erste Mal seit rund fünf Monaten wieder - auf der Tribüne des Stadions Reinshagen. Die Corona-Pandemie hatte den Sängern einen Strich durch die Rechnung gemacht.



Schuld sind die Aerosole. Das sind winzige Speicheltröpfchen, die beim Ausatmen in die Luft gelangen. Gerade beim Singen werden vermehrt Aerosole freigesetzt, was das Risiko einer Verbreitung des Corona-Virus erhöht. Deshalb ist das Singen derzeit nur im Freien möglich - und nur auf Abstand. Sieben Quadratmeter Freiraum benötigt jeder Sänger, der Abstand zum nächsten Mann muss drei Meter betragen. Macht 620 Quadratmeter für die „Germania". Die Zuschauertribüne in Reinshagen bietet diese Möglichkeit - und die Stadt gab schnell grünes Licht. „Auf die Idee ist noch niemand gekommen“, habe das Sportamt gesagt, erzählte der Vorsitzende Heinz-Georg Hüster. Ab sofort probt der Chor jeden Donnerstag von 18.30 bis 20 Uhr dort.

Zur Auftaktveranstaltung waren 32 von 42 Sängern gekommen, darunter zwei Männer, die bis zuletzt beim Gus-Anton-Kammerchor mitgesungen hatten. Dieser wurde aufgelöst. „Ich hätte gar nicht damit gerechnet, dass so viele kommen. ich freue mich riesig“, sagte Chorleiter Peter Bonzelet, der an seinem Keyboard den Ton angab. Der Strom dafür kam aus der Sprecherkabine. Peter Bonzelet hatte das Open-Air-Schutzkonzept bereits mit seinem Oratorienchor in Lüdenscheid geprobt - und nun schließlich auch in Remscheid zum Auftritt gebracht.

Und die Probe lief richtig gut. Die Männer waren begeistert vom Klang unter dem Tribünendach. Die Notenblätter auf dem Schoß, schallten Lieder wie „Berliner Luft“ und „Die kleine Kneipe" stimmgewaltig in die Stadionmitte, während ein Walkingtreff seine Runden zog und zwei Mädchen die Weitsprung-Anlage als Sandkasten nutzten. Auch im Kanon sangen die Herren. Nach dem Refrain des Lieds „Ein Bier!" schallte es vom Rang: „Jetzt läuft mir aber das Wasser im Munde zusammen.“

Die Herren waren gut aufgelegt, und das bei 30 Grad. „Wir haben uns gefreut. uns alle endlich wieder-zusehen“, sagte Heinz-Georg Hüster. Das Freiluftsingen fordere die Sänger aber auch: „Man ist sonst die Nähe zum Singnachbarn gewohnt. Hier ist man für sich allein. Dadurch ist jeder stimmlich mehr gefordert.“ 900 Notensätze umfasst das „Germania“-Repertoire - von Musicals über Volkslieder bis hin zu Operetten.

Ab sofort löst die Tribüne das Autobahn-Motel als Proberaum ab. so lange es das Wetter zulässt. Inter-essierte Männer können einfach vorbeikommen und mitsingen. In der kalten Jahreszeit könnte eventuell eine der Sporthallen zur neuen Probenheimat werden, überlegt der Vorsitzende. „Wir hoffen, uns bald wieder der Öffentlichkeit präsentieren zu können, vielleicht mit einem Weihnachtskonzert im Freien.“ Schließlich lebe der Verein von Konzerteinnahmen und Festen, die zuletzt allesamt ausgefallen sind. Bis dahin empfiehlt sich donnerstagsabends ein Spaziergang zum Stadion Reinshagen. Hier wird großer Sport mit der Stimme betrieben.

Vereinsfusion im Jahr 1983

Der Remscheider Männerchor „Germania“ 1840 kann auf eine 140-jährige Vereinsgeschichte zu-rückblicken. Die Vorläufervereine gehen auf die Jahre 1840 und 1871 zurück. 1983 fusionierten sie.
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